cinema by step
NIGHT ON EARTH
von Jim Jarmusch
https://www.arte.tv/de/videos/072401-012-A/blow-up-jim-jarmusch-aus-musikalischer-sicht/
BUCH & REGIE: JIM JARMUSCH JAHR: 1991 LAND: USA LÄNGE:123 MIN
KAMERA: FREDERICK ELMES
MUSIK:TOM WAITS, KATHLEEN BRENNAN
MIT: WINONA RYDER, GENA ROWLANDS, ARMIN MUELLER-STAHL, GIANCARLO ESPOSITO, ROSIE PEREZ, ISAACH DE BANKOLÉ, BÉATRICE DALLE, ROBERTO BENIGNI, PAOLO BONACELLI, MATTI PELLONPÄÄ, KARI VÄÄNÄNEN
FORMAT: FARBE, 35MM FASSUNG: ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN
Fremde sind bei Jim Jarmusch quasi Stammkundschaft. Hier verfrachtet er sie in einen der intimsten Begegnungsräume überhaupt: Fünf Taxis in fünf Städten und einer Nacht machen den Zufall zur Geschichte, deren Davor und Danach nicht mit dem Ein- und Aussteigen endet, sondern im Kopfkino weiterrennt. Eine abenteuerliche, schräge, »unterhaltsame« Fahrt von Los Angeles nach Helsinki, von der Lust auf ein Leben, das man noch vor sich hat, bis zum existenziellen Totalverlust, über Umwege, gegen Einbahnen, nicht zufällig begleitet von Tom Waits.
(Silvia Breuss)
Los Angeles
Am Flughafen treffen am frühen Abend durch Zufall zwei unterschiedliche Personen zusammen. Die Casting-Agentin und Karrierefrau Victoria lässt sich in einem heruntergekommenen Taxi von der jungen, Kaugummi kauenden und rauchenden Corky zu ihrem Haus in Beverly Hills fahren. Nachdem Victoria mit Vorgesetzten und Partnern Geschäfte am Mobiltelefon besprochen hat, kommt sie ins Gespräch mit ihrer Taxifahrerin. Es stellt sich heraus, dass beide Probleme in ihrem jeweiligen Job haben, an denen allerdings andere schuld sind. Victoria bietet Corky eine Filmrolle an. Dies lehnt Corky jedoch ab mit der Begründung, ihr Ziel sei es, Automechanikerin zu werden.
New York
Spät am Abend gelten New Yorks Straßen als so unsicher, dass der Afroamerikaner Yoyo kein Taxi findet, das ihn nach Brooklyn fährt. Als schließlich doch noch eines anhält, macht Yoyo die Bekanntschaft mit dem aus Dresden eingereisten Helmut Grokenberger. Helmut spricht sehr schlecht Englisch und kommt mit dem Automatikgetriebe seines Taxis nicht zurecht. Also setzt sich Yoyo kurzerhand ans Steuer, schaltet das Taxameter ein und fährt selbst nach Brooklyn. Unterwegs kommen die beiden ins Gespräch und machen sich gegenseitig über ihre Namen und ihre Mützen lustig – bis Yoyo seine Schwägerin Angela entdeckt. Sie will ausgehen, doch Yoyo zerrt sie gegen ihren Willen ins Taxi, um sie daran zu hindern, alleine durch Brooklyn zu laufen. Sie schreien sich an und beleidigen sich gegenseitig. Ihren hitzigen Streit setzen sie auch noch fort, als sie das Taxi verlassen haben. Yoyo ruft Helmut hinterher, dass er in die falsche Richtung fahre, gibt aber auf, da Helmut schon zu weit weg ist, obwohl der den Wagen wegen der Schaltprobleme nur stotternd bewegt.
Paris
Nach Mitternacht wirft der aus der Elfenbeinküste stammende Taxifahrer zwei Schwarzafrikaner, die sich über ihn lustig gemacht haben, aus seinem Auto. Kurze Zeit später nimmt er eine blinde Frau mit, die ihm harmloser erscheint als seine vorherigen Kunden. Doch die Frau überrascht trotz ihrer Behinderung mit zusätzlichen Fähigkeiten, erkennt im Gegensatz zu den beiden Afrikanern seine Herkunft präzise am Akzent und kontert auf seine Fragen über ihr Leben als Blinde äußerst scharfsinnig. Als die Frau das Taxi verlässt, verursacht der sehende Taxifahrer einen Unfall. Als sie die Unfallgeräusche und wütende Stimmen hört, die sich gegenseitig der Blindheit bezichtigen, lächelt sie nur und entfernt sich zu Fuß langsam vom Unfallort.
Rom
Zur gleichen Zeit rast ein Taxifahrer mit Sonnenbrille durch die Gassen Roms. Um sich die Zeit zu vertreiben, flirtet er wortreich mit der Mitarbeiterin, die in der Taxizentrale am Funk sitzt, ohne das Mikrophon einzuschalten; er befährt Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung und legt sich mit anderen Autofahrern an. Als er einen älteren Priester als Passagier aufnimmt, kulminiert das Ganze in Absurditäten. Er nennt ihn fortlaufend „Bischof“, hält bei sich prostituierenden Transvestiten am Straßenrand an, beichtet dem Priester seine sexuellen Erfahrungen mit Kürbissen, Schafen und seiner Schwägerin. Der schwer herzkranke Priester erleidet auf der Rückbank vom Fahrer unbemerkt einen Infarkt, verschüttet seine Herzpillen und verstirbt unter Atemnot. Als der Fahrer endlich bemerkt, was los ist, setzt er den toten Gottesmann auf eine Parkbank und flieht.
Helsinki
Kurz vor dem Morgengrauen nimmt der Taxifahrer Mika drei Betrunkene auf und fährt sie nach Hause. Zwei der Gäste erzählen über den völlig weggetretenen Dritten, er habe ein schweres Schicksal erlitten. Er habe an einem Tag seine Arbeit verloren, sein neues Auto sei demoliert worden und er habe von der Schwangerschaft seiner minderjährigen Tochter und dem Zerfall seiner Ehe erfahren. Darauf kontert Mika, dass es doch Schlimmeres gäbe und meint damit seine Ehe, die Frühgeburt seiner Tochter und deren Tod nach drei Wochen. Die beiden Gäste sind dermaßen gerührt, dass sie versuchen, Mika zu trösten und sich über ihren Kumpel ob seines „gespielten“ Leides ärgern.
Jim Jarmuschs Werk dreht sich immer wieder um das Fremdsein, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen und die Bindungskraft familiärer Beziehungen. Während man hinter diesen konfliktreichen Konstellationen oft einen pessimistischen, zuweilen antiamerikanischen Unterton vermuten könnte, verwehren sich seine Filme konsequent einer solchen Wertung.
Jarmusch zählt zu den wenigen wirklichen Independent-Regisseuren oder Autorenfilmern, das heißt, er behält die Kontrolle über die gesamte Filmproduktion und die Rechte an den Negativen seiner Filme. Eine weitere Besonderheit liegt in seinen unorthodoxen Arbeitsgewohnheiten. Er schreibe seine Plots für ganz bestimmte Schauspieler und baue dann um diese Figur(en) herum eine Geschichte auf. Er verzichte damit bewusst auf die üblichen Mittel von Drehplan oder Storyboards. Wie einige seiner Zeitgenossen (Paul Thomas Anderson, Quentin Tarantino, John Cassavetes) verteilt Jarmusch einen Teil der Rollen auf die Mitglieder eines Stammensembles, mit denen er auch befreundet ist, wie etwa Iggy Pop, Tom Waits, John Lurie, Roberto Benigni, Isaach de Bankolé, Bill Murray oder Tilda Swinton.
Jarmuschs Filme sind getragen von Langsamkeit und lakonischem Humor. Beliebte Stilmittel sind der Schwarzweißfilm, gezielter und gewollt grotesk anmutender Einsatz von Musikelementen und die szenische Auflösung in Plansequenzen, zumeist Master Shots.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jim_Jarmusch
Beginn: 20.30 Uhr